Vom Kunden-Lead zum fertigen Produktionsauftrag: Ein durchgängiger Workflow für die Fertigungsindustrie mit Zoho
In der Fertigungs- und Dienstleistungsindustrie, insbesondere in KMUs, sind digitale Prozesse oft fragmentiert. Ein Excel-Sheet hier, ein E-Mail-Postfach da und eine Insellösung für die Produktion dort. Das Ergebnis: manuelle Datenübertragung, Informationssilos, Fehleranfälligkeit und mangelnde Transparenz. Doch wie kannst du einen durchgängigen, automatisierten Prozess schaffen, der von der ersten Kundenanfrage im CRM bis zur finalen Rechnung in der Buchhaltung reicht? Wie kannst du nicht nur Zoho-Apps clever miteinander verknüpfen, sondern auch externe Datenquellen und sogar deine Maschinen anbinden? Dieser Artikel zeigt dir einen praxisnahen Lösungsansatz, der die Stärke des Zoho-Ökosystems demonstriert und es mit externen APIs kombiniert, um einen robusten und intelligenten Workflow zu schaffen.
Die Herausforderung: Ein typisches Praxisbeispiel
Stell dir einen mittelständischen Betrieb vor, der sich auf die industrielle Oberflächenveredelung spezialisiert hat. Ein Kunde, beispielsweise ein Maschinenbauunternehmen, stellt eine Anfrage für die Beschichtung von 500 präzise gefertigten Bauteilen mit einer speziellen korrosionsbeständigen Legierung. Der Prozess sieht heute so aus:
- Die Anfrage kommt per E-Mail und wird manuell in eine Excel-Liste zur Angebotsverfolgung eingetragen.
- Technische Spezifikationen werden in separaten Dokumenten und E-Mails ausgetauscht.
- Die Kalkulation erfolgt in einem komplexen Spreadsheet, das anfällig für Fehler ist.
- Nach Auftragserteilung werden die Daten manuell in ein separates Produktionsplanungssystem übertragen.
- Die Kommunikation zwischen Vertrieb, Produktion und Buchhaltung erfolgt über Zuruf oder E-Mail. Status-Updates für den Kunden sind aufwändig.
Dieser fragmentierte Prozess ist nicht nur ineffizient, sondern birgt auch erhebliche Risiken für Qualität und Kundenzufriedenheit. Unser Ziel ist es, diesen gesamten Ablauf in einem integrierten System abzubilden.
Die Lösung: Ein Schritt-für-Schritt-Workflow mit Zoho und externen APIs
Wir bauen einen automatisierten Prozess, der die Stärken verschiedener Zoho-Apps kombiniert und durch externe Datenanreicherung noch smarter wird. Der Tech-Stack dafür ist: Zoho CRM, Zoho Forms, Zoho Creator als zentrales Herzstück, Zoho Flow als Integrationsplattform, Zoho Projects für die Produktionssteuerung, Zoho Books für die Fakturierung und Zoho IoT zur Anbindung der Fertigung. Zusätzlich nutzen wir externe APIs, um den Prozess mit externem Wissen anzureichern.
Schritt 1: Lead-Erfassung und Qualifizierung im Zoho CRM
Jeder Prozess beginnt mit dem Kunden. Eine neue Anfrage landet als Lead im Zoho CRM. Der Vertriebsmitarbeiter qualifiziert den Lead und konvertiert ihn zu einem Kontakt, einem Unternehmen und einem Deal. Im Deal-Modul werden alle vertriebsrelevanten Informationen und der voraussichtliche Auftragswert festgehalten. Bis hierhin ist das Standard-CRM-Arbeit.
Schritt 2: Detaillierte technische Spezifikation per Zoho Forms
Jetzt wird es interessant. Für eine präzise Kalkulation und Produktionsplanung benötigen wir technische Details, die über normale CRM-Felder hinausgehen. Wir erstellen in Zoho Forms ein detailliertes Formular zur technischen Spezifikation. Über eine Custom Button im Zoho CRM kann der Vertriebsmitarbeiter per Klick einen personalisierten Link zu diesem Formular generieren und an den Kunden senden. Der Kunde füllt dort alles Nötige aus: Bauteilabmessungen, Grundmaterial, geforderte Schichtdicke, Normen, Stückzahl etc. und kann technische Zeichnungen hochladen.
Schritt 3: Das Herzstück – Die Produktions-App in Zoho Creator
Sobald der Kunde das Formular abschickt, wird via Webhook ein Prozess in unserer maßgeschneiderten Zoho Creator App angestoßen. Diese App ist das Gehirn unseres Workflows. Sie dient zur Kalkulation, Planung und Steuerung der Produktionsaufträge.
Eine Custom Function in Zoho Creator, geschrieben in der Skriptsprache Deluge, verarbeitet die übermittelten Formulardaten. Diese Funktion tut mehr als nur Daten zu speichern. Sie reichert die Daten aktiv an:
- Daten aus Zoho Forms abrufen: Die Funktion empfängt die Daten des Webhooks.
- Externe Materialdatenbank anfragen: Um die bestmögliche Behandlungsmethode vorzuschlagen, ruft die Funktion eine externe API auf, z.B. eine Materialdatenbank wie Matmatch oder eine fiktive „MaterialDB API“. Sie übermittelt das Grundmaterial und erhält spezifische Prozessparameter zurück.
- Umweltfaktoren berücksichtigen: Für manche Beschichtungsprozesse sind Luftfeuchtigkeit und Temperatur entscheidend. Unsere Funktion ruft eine Wetter-API wie OpenWeatherMap auf, um die aktuellen Umgebungsbedingungen am Produktionsstandort zu prüfen und eventuell Trocknungszeiten anzupassen.
- Kalkulation durchführen: Basierend auf den Kundendaten und den angereicherten Informationen kalkuliert die App den Materialbedarf, die benötigte Maschinenzeit und erstellt einen detaillierten Kostenvoranschlag.
Hier ein vereinfachtes Beispiel einer solchen Deluge-Funktion in Zoho Creator:
// Funktion wird durch einen Webhook von Zoho Forms ausgelöst
// 'formResponse' ist ein map-Parameter, der die Formulardaten enthält
void processProductionRequest(map formResponse)
{
// CRM Deal-ID aus dem Formular holen, um die Verbindung herzustellen
dealId = formResponse.get("zoho_crm_deal_id");
// 1. API-Aufruf zur Materialdatenbank
materialDB_API_Key = "YOUR_API_KEY";
material_type = formResponse.get("base_material");
material_url = "https://api.materialdb.com/v1/data?material=" + material_type;
material_response = invokeurl
[
url :material_url
type :GET
headers:{"Authorization":"Bearer " + materialDB_API_Key}
];
// Prozessparameter aus der API-Antwort extrahieren
recommended_coating_process = material_response.get("recommended_process");
processing_temp = material_response.get("processing_temperature_celsius");
// 2. API-Aufruf zur Wetter-API (z.B. OpenWeatherMap)
weather_API_Key = "YOUR_WEATHER_API_KEY";
location = "Berlin,DE";
weather_url = "https://api.openweathermap.org/data/2.5/weather?q=" + location + "&appid=" + weather_API_Key;
weather_response = invokeurl
[
url :weather_url
type :GET
];
current_humidity = weather_response.get("main").get("humidity");
// 3. Neuen Produktionsauftrag in Zoho Creator erstellen
newJob = insert into Production_Jobs
[
Added_User = zoho.loginuser
Deal_Link = dealId
Customer_Name = formResponse.get("customer_name")
Base_Material = material_type
Quantity = formResponse.get("quantity")
Recommended_Process = recommended_coating_process
Calculated_Drying_Time_Hours = calculateDryingTime(current_humidity) // Eigene Funktion zur Berechnung
Status = "Pending Approval"
];
info "New Production Job created: " + newJob;
}
Schritt 4: Prozess-Orchestrierung mit Zoho Flow
Nachdem der Auftrag in der Creator App kalkuliert und vom Vertriebsleiter freigegeben wurde (Statusänderung auf „Approved“), übernimmt Zoho Flow die weitere Automatisierung. Ein Workflow wird durch die Statusänderung in Creator getriggert und führt folgende Aktionen aus:
- Projekt anlegen: Erstellt in Zoho Projects ein neues Projekt basierend auf einer Vorlage für „Oberflächenbehandlung“. Die Vorlage enthält bereits alle Standard-Produktionsschritte als Aufgaben (z.B. Wareneingangsprüfung, Vorbehandlung, Beschichtung, Qualitätskontrolle, Verpackung).
- Auftragsbestätigung in Books erstellen: Legt in Zoho Books einen neuen Kunden (falls nicht vorhanden) und eine Auftragsbestätigung (Sales Order) an, die direkt an den Kunden gesendet werden kann.
- Team informieren: Postet eine Benachrichtigung im relevanten Kanal in Zoho Cliq (z.B. #produktion), um das Team über den neuen Auftrag zu informieren. Die Nachricht enthält einen direkten Link zum Creator-Datensatz und zum Zoho Projects-Projekt.
- Kunden-Update per SMS: Sendet über eine Integration mit einem SMS-Gateway wie Twilio eine kurze Nachricht an den Kunden: „Ihr Auftrag [Auftragsnummer] wurde bestätigt und geht nun in Produktion.“
Schritt 5: Echtzeit-Daten aus der Produktion mit Zoho IoT
Um den Produktionsstatus nicht manuell pflegen zu müssen, binden wir die Maschinen an. Mit der Zoho IoT-Plattform können wir Daten von Sensoren empfangen. Ein einfacher Temperatursensor in einem Trockenofen oder ein Sensor, der den Betriebszustand einer Beschichtungsanlage überwacht, kann seine Daten (z.B. via MQTT oder einer einfachen HTTP-POST-Anfrage) an Zoho IoT senden. In der IoT-Plattform definieren wir Regeln: Wenn Maschine X den Status „finished“ sendet, rufe eine Webhook-URL auf, die den Status der entsprechenden Aufgabe im Zoho Projects-Projekt aktualisiert und den Fortschritt im Creator-Datensatz vermerkt. Dies sorgt für eine lückenlose Echtzeit-Verfolgung.
Schritt 6: Abschluss, Fakturierung und Analyse
Sobald die letzte Aufgabe im Zoho Projects-Projekt als „abgeschlossen“ markiert wird, startet der finale Workflow in Zoho Flow:
- Er wandelt die Auftragsbestätigung in Zoho Books in eine Rechnung um.
- Die Rechnung wird automatisch per E-Mail an den Kunden versendet.
- Der Status des Deals im Zoho CRM wird auf „Gewonnen und Abgeschlossen“ gesetzt.
- Alle relevanten Daten (Durchlaufzeit, Kosten, Umsatz) werden an Zoho Analytics übertragen. Dort können Dashboards erstellt werden, die die Profitabilität pro Auftrag, die Maschinenauslastung und die Kundenzufriedenheit visualisieren.
Tipps und Best Practices
- Sichere Authentifizierung: Speichere API-Schlüssel und Zugangsdaten niemals direkt im Code. Nutze die integrierten „Connections“ in Zoho Creator und Zoho Flow. Diese verwalten die Authentifizierung (z.B. via OAuth2 oder API-Keys) sicher und gekapselt.
- Modular aufbauen: Beginne nicht damit, den gesamten Prozess auf einmal zu bauen. Starte mit der Verbindung von CRM und Creator. Wenn das stabil läuft, füge Zoho Projects hinzu, dann die Fakturierung etc. Ein schrittweiser Ansatz ist weniger fehleranfällig.
- Fehlerbehandlung: Was passiert, wenn eine externe API nicht erreichbar ist? Baue in deine Deluge-Skripte `try-catch`-Blöcke ein, um Fehler abzufangen und Benachrichtigungen an einen Admin zu senden, anstatt den Prozess unkontrolliert abbrechen zu lassen.
- Skalierbarkeit im Blick behalten: Achte auf die API-Limits der verwendeten Dienste (sowohl Zoho als auch extern). Plane deine Architektur so, dass sie auch bei steigendem Auftragsvolumen performant bleibt.
Zusätzliche Erweiterungsmöglichkeiten
Dieser Workflow ist nur der Anfang. Du könntest ihn problemlos erweitern:
- Kundensupport: Integriere Zoho Desk, um Reklamationen oder technische Rückfragen nach der Auslieferung systematisch zu erfassen und zu bearbeiten.
- Dokumentenmanagement: Nutze Zoho WorkDrive, um alle Dokumente wie technische Zeichnungen, Qualitätszertifikate und Lieferscheine zentral und revisionssicher zu speichern und mit den jeweiligen Datensätzen in CRM und Creator zu verknüpfen.
- Kundenfeedback: Versende nach Abschluss des Auftrags automatisch eine Umfrage, die mit Zoho Survey erstellt wurde, um die Kundenzufriedenheit zu messen.
Fazit: Mehr als die Summe seiner Teile
Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, dass die wahre Stärke von Zoho nicht in den einzelnen Apps liegt, sondern in ihrer nahtlosen Integration. Durch die Kombination von Standardanwendungen wie CRM und Books mit einer flexiblen Low-Code-Plattform wie Creator und der Integrationsschicht Flow lassen sich hochgradig individuelle und leistungsfähige Geschäftsprozesse abbilden. Die zusätzliche Anreicherung durch externe APIs hebt die Lösung von einer reinen Verwaltungssoftware zu einem intelligenten, datengesteuerten System. Du schaffst eine „Single Source of Truth“, reduzierst manuellen Aufwand drastisch und gewinnst eine bisher unerreichte Transparenz über deine gesamten Abläufe.
Verwendete Zoho Apps in diesem Workflow: